Taubes jüdisches Leben im Umkreis des Centrum Judaicum

(1933-1938)

Zum Themenjahr 2013 der Stadt Berlin präsentiert das Deutsche Historische Museum die Ausstellung „Zerstörte Vielfalt. Berlin 1933-1938“ (30. Jan - 10. Nov 2013). Sie verbindet über 40 stadtweite Projekte von Museen, Gedenkstätten, Vereinen und Initiativen, die sich mit der Geschichte Berlins im Nationalsozialismus auseinandersetzen.

Von unserem Verein IGJAD wird das Projekt: Taubes jüdisches Leben im Umkreis des Centrum Judaicum ausgestellt.

Vor 1933 war die Stadt Berlin ein blühendes Zentrum taub-jüdischen Lebens. Aus ganz Europa und der Welt fanden sich hier taube Juden zusammen. Sie hatten einen eigenständigen, reichsweiten Verband, den 1896 gegründeten „Verein zur Förderung der Interessen der israelitischen Taubstummen in Deutschland e.V.“. Einzelne Persönlichkeiten nahmen auch im nicht-jüdischen kulturellen und wissenschaftlichen Leben Spitzenpositionen ein und waren Vorbilder für Generationen tauber Menschen.

Nach 1933 wurden taube Juden Opfer zweifacher Verfolgung: Während die von den Nationalsozialisten instrumentalisierte Eugenik taube Menschen als vermeintlich erbkrank brandmarkte, machte sich auch in der Gemeinschaft der tauben Menschen in Deutschland der Antisemitismus breit. Juden wurden aus den Gehörlosenverbänden ausgeschlossen. Doch die jüdische Gemeinde bot oft ebenfalls keinen Zufluchtsort, denn taube Menschen genossen in der jüdischen Lehre keinen gleichwertigen Status, – sie galten als unmündig. Die Gebärdensprache wurde im Allgemeinen nicht als Sprache betrachtet. Vielmehr nahm man an, dass taube Menschen überhaupt keine Sprache, folglich auch keine Vernunft besäßen, weil ihr Gehör nicht funktionierte.

Der taub-jüdische Verein mit Sitz in der Rosenstrasse 2 – 4 verlor 1936/37 mit der erzwungenen Auflösung seine Selbstständigkeit. Er wurde zunächst mit anderen Vereinen wie etwa dem „Verein ehemaliger Zöglinge der Israelitischen Taubstummen-Anstalt in Weißensee“ und Vereinen für Schlesien, Westfalen und Rheinland sowie Hessen-Nassau in einer „Selbsthilfegruppe der jüdischen Gehörlosen (Taubstummen) in Deutschland“ zusammengelegt. Es folgte dessen Zwangseingliederung in die „Selbsthilfegemeinschaft der jüdischen Körperbeschädigten in Deutschland“ mit Sitz in Berlin unter dem Dach der „Zentralwohlfahrtstelle der deutschen Juden“. Diese wiederum wurde 1939 aufgelöst.

Unser Projekt entreißt taub-jüdische Persönlichkeiten, die sich unter anderem in das Vereinsleben einbrachten, der Vergessenheit. In einem Gebärdensprach-Film werden sie an ihren einstigen Wohnorten nahe dem Centrum Judaicum interessierten Berlinern und Berlinbesuchern vorgestellt. Durch die Präsentation der beeindruckenden Lebens- und Familiengeschichten wird das Fehlen eines angemessenen Mahnmals für die in doppelter Weise verfolgte Minderheit spürbar.